Open Banking in der Schweiz – Vom Tabu- zum Trendthema?

Die neue Zahlungsdienstrichtlinie PSD2 und das damit verbundene Thema Open Banking hat, wie vor einigen Jahren noch die Umstellung auf SEPA, die europäische Bankenwelt fest im Griff. Wie damals steht auch heute die Schweizer Bankenbranche nebenan und diskutiert, ob die Neuerung auch relevant für den Schweizer Finanzmarkt ist. Beim Swiss Payment Forum am 3. Mai wurde diese Diskussion zum Thema genommen und vertieft.


Welche Vorteile bringt Open Banking mit sich?  
Ist ignorieren eine Option?
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 Welche rechtlichen Rahmenbedingungen sind zu beachten?

Diese und weitere Fragen wurden auf der Konferenz von verschiedensten Standpunkten aus betrachtet. Neun Speaker aus der Schweiz und Europa referierten über die Thematik und brachten sowohl die Vor- und Nachteile, sowie die regulatorischen und rechtlichen Hürden klar auf den Punkt.
Was ist unter Open Banking zu verstehen?

Open Banking ist die Öffnung der Bankschnittstellen für Drittanbieter (TPP). Hierbei ist zwischen Account Information Service Providern (AISPs) und Payment Initiation Service Providern (PISPs) zu unterscheiden. Unter AISPs sind zum Beispiel Investitionsberater zu verstehen, die auf Basis der Kontoströme ein Ausgabenmuster erstellen können, um somit ein Angebot auszuarbeiten. PISPs hingegen nutzen die Zugänge, um Zahlungsvorgänge einzuleiten. Beispiele hierfür sind TWINT oder auch Paypal. Die neue europäische Zahlungsdienstrichtlinie PSD2 treibt die Thematik Open Banking und damit auch die Diskussion um einheitliche Application Programming Interface (APIs) voran. Alle Banken in der EU sind dazu verpflichtet, bis Anfang 2018 Drittanbietern solche Programmierschnittstellen zur Verfügung zu stellen. Douwe Lycklama, Founding Partner von Innopay, bringt es in seinem Vortrag „Open Banking: Putting the Customer in Charge“ auf den Punkt. „API  Open API  Open Banking“. Dies sei der Weg, der in Europa gehen wird.

Wie sieht es in der Schweiz aus?

Die Schweiz möchte zum Fintech-Mekka Europas werden. Laut aktueller IFZ- Fintech-Studie belegen Zürich und Genf derzeitig Platz zwei und drei nach Singapur im Städte-Rating. Auch vom Bund wird die Strategie „Digitale Schweiz“ vorangetrieben. Doch wie Sarah Jungo, Rechtsanwältin Staatssekretariat für internationale Finanzfragen beim SIF, in ihrem Vortrag „Neue Regeln für Fintech–Unternehmen – Stand des Projekts und Ausblick“ bestätigt, soll es vorerst keine rechtlich zwingende Vorschrift für PSD2 in der Schweiz geben. Es sei gemäss Regulator kein dringender Handlungsbedarf vorhanden und man wolle erst einmal abwarten, wie in Europa die Umstellung angenommen und umgesetzt wird. Um dennoch als attraktiver Fintech-Standort weiterwachsen zu können, wurde am 1. Februar 2017 die Vernehmlassung zur Änderung des Bankengesetzes und der Bankenverordnung im Bereich Fintech eröffnet. Gestern (8. Mai) endete die Frist für Gegenvorschläge und ab Anfang Juli sollen dann die finalen Ergebnisse veröffentlicht werden. So sollen Markteintrittshürden für Fintech-Unternehmen verringert und die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes gestärkt werden. Doch reicht dies aus? Wie wichtig ist das Thema Open Banking mit Blick auf die FinTech-Branche?

Die Einstellung der Banken in der Schweiz ist hier sehr unterschiedlich. 

Während manche bisher keine Intentionen haben, sich näher mit PSD2 und Open Banking auseinanderzusetzen – sehen andere eine Chance im Bereich Open Banking.

David Kauer, Leiter Produktmanagement Value Added Services von der PostFinance AG spricht sich in seiner Case Study „Open Banking bei der PostFinance“ klar für Open Banking aus. „Die Lösungen mit der besten Customer Experience und dem grössten, subjektiv wahrgenommenen Kundennutzen werden sich langfristig am Markt durchsetzen. Es geht nicht um Open Banking, sondern um die grundlegend bessere Erfüllung von Kundenbedürfnissen entlang der gesamten Wertschöpfungskette“, so Kauer.

Betrachtet man die Customer Journey und deren einzelnen Phasen: Vom Wunsch über die Suche, Stopp, Entscheid, Kauf, Bezahlen und schliesslich Besitzen. So darf sich die Bank nicht nur auf den Bezahlvorgang konzentrieren. Kauer sagt deutlich: „Unsere Bankkunden denken nicht in Silos, sondern agieren aufgrund ihrer individuellen Bedürfnisse“ und daher ist es wichtig, diese Denkweise ebenfalls als Bank zu vertreten und zu leben. Wie das Ausschauen könnte, demonstriert die PostFinance mit TWINT in der Schweiz. Wie in unserem Gastblog von letzter Woche nachzulesen ist, ist TWINT weitaus mehr, als lediglich die Möglichkeit per Smartphone zu bezahlen.

Open Banking und Open APIs werden den Weg für mehr Innovation in der Schweiz ebnen. Bei der BBVA in Spanien hat dies bereits Wirkung gezeigt. Raúl Lucas Alcaraz, Spain Country Manager of Open APIs and Alberto González Peñalver, Product Owner of Open APIs von der BBVA, berichten in einem sehr anschaulichen Referat über die Möglichkeiten einer Bank mit Open Banking umzugehen.


This is not „just“ about API anymore.  Mit dem API Market hat die BBVA eine Plattform entworfen, die es Drittanbietern ermöglicht die Bankschnittstelle zu nutzen, ohne dass sich ein anderer Plattformanbieter wie Apple oder Google dazwischenschaltet. Die Strategie ging auf und ermöglicht heute bereits über 200 Fintechs eine Zusammenarbeit mit der Bank. Mehr Informationen zu diesem revolutionären Geschäft gibt es auch unter https://www.bbvaapimarket.com/home.

Doch wie Damir Bogdan, Gründer der Actvide AG und Senior Advisor des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Universität St. Gallen, treffend zusammenfasst, geht es beim „Open Banking“ nicht nur um das Öffnen der Bankschnittstelle an Dritte, sondern ebenfalls darum, mit einem „Open Mindset“ Neuerungen entgegenzutreten und als Chancen zu nutzen. Dies gilt sowohl für Banken, Anbieter als auch Nutzer.

Doch sind die Bankkunden in der Schweiz schon bereit für Open Banking?

Prof. Dr. Martin Brown, Professor für Bankwirtschaft an der Universität St. Gallen und Direktor des schweizerischen Instituts für Banken und Finanzen, zweifelt in seinem Vortrag „Was wissen wir über das Verhalten der Kunden?“ das Open Mindset der Kunden jedoch noch an.

Bequemlichkeit und Vertrauen seien die Schlüsselfaktoren bei der Wahl einer Bank und der Entscheidung der Zahlungsmethode, so Brown. 40% der Schweizer Haushalte haben nur eine Bankbeziehung, 36% der Haushalte lediglich zwei und nur knapp 24% haben drei oder mehr.
Darüber hinaus sei zu vermerken, dass bei 86% aller Bankbeziehungen die Bank in einem Umkreis von 5 Kilometern zu finden ist und eine Bankbeziehung in der Regel länger als 10 Jahre anhält. Natürlich sind dies nur „Statistische Werte“ und dennoch zeigen sie ziemlich klar, dass auch noch heute in einer globalen Welt Bankbeziehungen nah und dauerhaft sind. Bietet der Wechsel vom Close zum Open Banking den Bankkunden also wirklich einen spürbaren Mehrwert und kann es einen Trend von der Hausbank zur HausApp geben?

Das Beispiel Uber hat gezeigt, wie schnell eine Open API einen kompletten Sektor umkrempeln kann. Sobald es Fintech-Unternehmen gelingt, neben der Bequemlichkeit auch den Vertrauensfaktor einer Bank zu übertreffen – ist anzunehmen, dass sich der Trend hin zum Digital Banking sehr schnell entwickeln kann. Das Thema Open Banking wird für diese Entwicklung sicher den notwendigen Rückenwind geben und ist für die Vision der „Digitalen Schweiz“ auf kurz oder lang notwendig.


Dieser Beitrag wurde von Florian Stade gepostet.

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